Endlich Ferien von der Askese!
Fühlt sich so zuckersüß an, dass ich mir Zitronen für die Melonen und um ein Haar ein Ticket nach Paris gekauft habe.
Letzten Montag, 10 Uhr 30, stand ich betend oben ohne in einer kleinen Kammer und wartete bis die Tür sich öffnete. Eine Frau mit kurzen schwarzen Haaren stand vor mir und lächelte: „Soweit alles in Ordnung, die Bilder sehen super aus.“ Es gibt wenige Momente, in denen ich den Wert des Lebens mehr fühle, als einmal im Jahr bei der Mammographie. Vor Freude machte ich der Ärztin ein Kompliment, wie gut sie das machen würde, dass sie direkt bei der Begrüßung sagt, was Sache ist, statt mit zusammengekniffenen Augen auf ihren Bildschirm zu starren und mich hängen zu lassen. Alles in Ordnung. Ich schmierte ab in einen Rausch aus Erleichterung und Dankbarkeit, während sie das Ultraschall-Gel auf meinen Brüsten verteilte. Als sie auch mit dieser Untersuchung fertig war, sagte sie: “Und immer schön selber tasten!” Ich stand bereits wieder in der Kammer, zog meinen BH bei offener Tür an und lachte: „Ja, klar, das mach ich eh alle Nas’ lang.“ Sie erwiderte: „Nein, nur einmal im Monat. Wissen Sie, wenn Sie das zu oft machen, spüren sie keinen Unterschied mehr. Das ist so wie mit Ihrem Mann, wenn sie den jeden Tag sehen, merken Sie nicht, dass er sich verändert.“ Ich, natürlich schon längst wieder im Scherzmodus und voller Übermut: „Haha, na gut, dass ich keinen haben.“ Sie sah mich streng an.
Nein, sie meine es Ernst, einmal im Monat, und dann richtig in Ruhe und sogfältig machen. Okay, von nun an immer zuverlässig am ersten jeden Monats, so wie die Miete.
Kurz drauf stand ich wieder auf der Straße, es schüttete aus Kübeln, und ich wollte etwas tun, was mit großmöglichstem Genuss untermalen würde, wie froh ich bin, am Leben zu sein. Nicht, dass mein Leben an diesem Tag akut in Gefahr war, aber ist es das nicht immer? Ich sprang mit meinen steinalten Laufschuhen, bei denen sich der Zeh durchbohrt, durch die Pfützen, nass bis auf die Socken, bis zum Café, wo es Matcha gibt. Ich setzte mich ans Fenster, aß ein Croissant dazu und wusste nicht, was Wasser, was Tränen waren. So ein schöner Tag. So schön, dass ich weiterlief, bis zu dem Turnschuhladen in Eppendorf, wo ich nie reinwollte, weil die dort so Trendschuhe haben. Ich fand im Sale einen Trendsneaker der vorvorvorletzten Saison, der 100 Euro kostete und warf meine fünfzehn Jahre alten Gurken daheim feierlich in den Hausmüll. Im Anschluss kaufte ich eine Flasche Rosé Champagner. Die Dame im Weinladen fragte, für welchen Anlass der sein soll. Ich sagte: Nur so, falls ich mal was zu feiern habe. Er steht immer noch im Kühlschrank, weil ich dachte, dass ich doch alleine an einem Montag keine Flasche Champagner trinken kann. Warum nicht? Ich wußte keine Antwort drauf, aber kochte mir ein Candlelight Dinner, trank ein Glas Wein und machte einen großen Fehler: Ich hörte Cat Power. Keine Stimme killt mich so wie Chan Marshalls. Bei Metal Heart schmolz mein Herz ein wie beim Bleigießen, verformte sich zu etwas, das ich selbst mit viel Phantasie und gutem Willen nicht mehr deuten konnte.