Nachdem ich letzte Woche ausführlich geteilt habe, dass ich grad nichts teilen möchte, meine Sinn- und Haarkrise bejammert habe, nun also hier meine neue Frisur: Kleiner Scherz. Normalerweise zeige ich ungerne Fotos von früher, weil ich mich selbst schützen will vor zu viel Nostalgie, aber dieses hier ist einfach zu gut. Dieser subtil genervte Gesichtsausdruck, das Maegde u. Knechte T-Shirt, der Pony, die Art, wie ich geistesabwesend meinen eigenen Unterarm streichle, die tausend Fragen in den Augen, einfach alles daran! Vor allem aber die Erinnerung an die Ära und die Frau, die ich mal war. Das Bild wurde an dem Tag aufgenommen, als mein Sohn seinen ersten Geburtstag feierte. Am Abend, als die Sause vorbei war, ging ich in diesem Outfit mit einer Freundin auf den Kiez. Es war 1998, ich grad 29 geworden und der Türsteher fragte mich, ob ich schon volljährig sei. Kurz drauf war ich sternhagelvoll, weil ich so stolz war, Mutter zu sein. Kurz drauf war ich sternhagelvoll, weil ich so überfordert war, nicht mehr alleine zu sein.
Seit ein paar Wochen mache ich mir viele Gedanken, was Identität bedeutet, wie sie entsteht, wer sie prägt, welche Umstände sie beeinflusst und verändert. Was das überhaupt ist, eine Identität? “Identität ist die Gesamtheit der Eigentümlichkeiten, die jemanden kennzeichnen und als Individuum von anderen unterscheiden“ recherchierte ich. Vielleicht gehörte das Arm streicheln zu meinen Eigentümlichkeiten, überlegte ich gestern, und fragte mich, welche Teile meiner Persönlichkeit ich mit den Jahren vielleicht vergessen und verloren habe. Vielleicht habe auch nicht nur ich selbst dafür gesorgt, sondern das Konzept, dem ich lange gefolgt bin und das auf alles eine scheinbar schlaue Antwort und Technik hat. Vielleicht waren die Antworten gar nicht so schlau wie ich die letzten Jahre glaubte. Vielleicht wurde vieles, was eigentlich zu mir gehört, durch diese mystische Wunderformel abtrainiert. All das taucht auf, wenn ich dieses Foto ansehe. Die Zicke, die ich mal war. Warum habe ich eigentlich aufgehört eine zu sein? Vielleicht hatte ich einfach nur Angst, die crazy statt die graceful woman zu sein. Wann genau wurde ich so dermaßen mild und blind?