SUSE IN YOUR POCKET

SUSE IN YOUR POCKET

Share this post

SUSE IN YOUR POCKET
SUSE IN YOUR POCKET
Ach, soo alleine?

Ach, soo alleine?

Ja, und ich bin heilfroh drüber. Für den Moment.

Suse Kaloff's avatar
Suse Kaloff
Feb 25, 2024
∙ Paid
69

Share this post

SUSE IN YOUR POCKET
SUSE IN YOUR POCKET
Ach, soo alleine?
6
Share

Im Bad zog’s wie Hechtsuppe, das Fenster war undicht. Die Vermieterin sagte, sie kümmere sich drum. Zwei Monate später rief eine männliche Stimme an und sagte, er komme morgen um 8 Uhr rum. Er fragte nicht, ob das passt. Am nächsten Tag klingelte es um 7 Uhr 38, ich hatte bis dahin geschafft, meine Zähne zu putzen, für Unterwäsche reichte die Zeit nicht mehr. Ich trug eine Jogginghose und einen Norwegerpullover auf nackter Haut, was für die Story eigentlich wurscht ist, aber auch nicht ganz, weil ich mich sicher souveräner gefühlt hätte bei dem, was dann folgte, wenn auch ich Arbeitskleidung angehabt hätte. Sockig öffnete ich die Tür. Davor standen zwei Männer in braunen Latzhosen. Ich fragte, zu diesem Zeitpunkt noch etwas naiv: Wird das Fenster denn ausgetauscht? Neee, neee, neee, sagte der eine, der nicht den Eimer trug. Sie schoben sich durch meinen schmalen Flur, ich hinterher, in mein Zwergenbad hinein, das von dem einen Arbeiter bereits komplett ausgefüllt war. “Ui, ui, ui, wir brauchen mehr Licht!” Ich: “Äh, es gibt bei mir nicht mehr Licht” Draußen war es noch dunkel. “Keine Stehlampe?” fragte er und klang, als wolle er eine OP am offenen Herzen durchführen. “Nein, leider keine Stehlampe.” Ich knipste alle Lichtquellen auf meinen 47 Quadratmetern an. So gehts, sagte der Meister. Er blieb chefig vorm Bad stehen und beobachtete, was der andere tat: Den Fensterrahmen mit einer übelriechenden Masse abdichten. Ich als Laie hätte gesagt, dazu braucht man nicht zwei Mann, aber ich bin ja auch kein Glaserei Fachbetrieb. Der Boss der Firma, der nichts zu tun hatte, stand lässig im Flur, ein Bein über das andere geschwungen, während sein Angestellter stöhnte. Ich gesellte mich mit verschränkten Armen vor der Brust dazu und schaute fachmännisch in meine Nasszelle, als könne ich helfen. Bestimmt sind nicht alle so wie ich, finden es normal, wenn plötzlich Unbekannte mit Straßenschuhen neben deiner Klobürste rumwerkeln, sich in deiner Bude, deiner Aura aufhalten, als sei es ihr Zuhause. Für mich aber ist es schwer. Um mir meine soziale Arthrose nicht anmerken zu lassen, setzte ich mich lässig im Schneidersitz an den Küchentisch und tat so, als würde ich auch arbeiten. Ich starrte konzentriert auf meinen Bildschirm. “Und, weiter Arbeitsweg?”, kurz nachgedacht, dann blöd gelacht: “Haha, nein, ich arbeite zu Hause.” Er: “Ach, soo alleine?!” Er zog die Augenbrauen hoch, das sei doch nix. Da war es wieder, das Gesicht, der Blick, in dem all das Mitleid lag, das alleinstehenden Frauen so oft entgegenschlägt. Ich überlegte kurz, ob er das auch zu einem Kerl gesagt hätte, bei dem was undicht gewesen wäre, morgens um 8, wenn der mit seinem Headset wichtigtuerisch in seiner 9 1/2 Wochen Edelstahl Küche in einem frisch aus der Reinigung kommenden Oberhemd auf seinem 80s Barhocker gesessen und Warentermingeschäfte gemacht hätte. Ich dachte daran, dass ich mutterseelenallein Bestseller in dieser Postition und in solchen Outfits geschrieben hatte, dass ich den Job seit 25 Jahren mache und trotzdem kam mir all das Erreichte in dem Moment wie grober Unfug vor. Als würde ich in Heimarbeit Wäscheklammerhälften aus Holz für Topfuntersetzer zusammenkleben.

This post is for paid subscribers

Already a paid subscriber? Sign in
© 2025 Susanne Kaloff
Privacy ∙ Terms ∙ Collection notice
Start writingGet the app
Substack is the home for great culture

Share