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Bist du noch da?

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Ja, ich höre nur zu.

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Suse Kaloff
Feb 04, 2024
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Bist du noch da?
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Mädchen mit Mappe (ca. 1935, Bronze) Planten un Blomen, Seeterrassen, Hamburg. Bespoke Notizbuch von paperlux.store

Letzte Woche passierte es zweimal, in der davor einmal. Eine kurze Pause, dann die Frage: Bist du noch da? Ich war da, aber weder unterbrach ich noch stellte ich Fragen. Ich stelle sonst immer Fragen, viele Fragen, wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt bleibt dumm. Wer nicht fragt, wird entlarvt als eine desinteressierte Person. Das ist eine meiner Ängste. Wenn ich mich nicht hellwach beteilige am Gespräch, heißt das, dass ich nicht liebe, mich nicht schere um mein Gegenüber. Dass ich schlechte Laune habe, gelangweilt oder krank bin. Sobald ich still wurde, fragte man mich in meiner Familie immer: Suse, was hast du denn? Also gewöhnte ich mir an, immerzu zu reden und viel zu fragen, damit sich niemand sorgt. Auch jene, die ich nicht mal kannte oder liebte. Auch die Frau von der VG Wort-Hotline fragte ich letzte Woche viel. Das ist sowas wie die GEMA für beruflich Schreibende, von der man jedes Jahr ein bisschen Kohle ausgeschüttet bekommt. Also ein Verein, der Autor*innen und Verlage zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammenschließt. Ich löcherte die Dame am Telefon, um sicher zu gehen, dass mir nichts entgeht, vor allem keine Mäuse. Mit ein wenig Recherche und Hausverstand hätte ich die Antworten ganz alleine raustüfteln können. Aber auch im Café frage ich gerne Sachen, die ich eigentlich weiß, letztens erst, ob die Butter zu dem veganen Bananabread auch vegan ist. Dabei kannte ich die Antwort längst: Ja. Was würde es auch für einen Sinn machen, ein plant based Bananabread mit einer tierischen Butter anzubieten? Und falls doch, was wäre so schlimm daran? Ich bin ja keine Veganerin. Ich erkundigte mich dennoch, um zu signalisieren, dass ich informiert bin, um zu sagen, Hey, ich bin Stammkundin, gestern hatte ich auch ein Bananabread und letzte Woche sogar zwei, und ich kenne mich aus mit Eurem Sortiment. Aber warum ist das relevant? Früher in der Schule fing das an, dass ich mich im Unterricht meldete mit einer Frage, obwohl ich an der Antwort nicht interessiert war, weil ich sie kannte. Aber ich wurde wahrgenommen als engagierte, wissbegierige Schülerin. Das Muster setzte sich fort in Konferenzen, auf Veranstaltungen, auf Pressereisen. Anfangs auch mal auf einer Yogamatte: “Soll man in der Meditation auch Mula Bandha halten?”

In Freundschaften und in der Familie steckt hinter meiner Löcherei noch etwas anderes: Ich lasse nicht locker, weil ich Details benötige, um alles korrekt nachempfinden zu können, um ausreichend Data zu sammeln, damit ich fühle, wie sich die andere Person fühlt. Wie war es genau, wann war es, wer war dabei, weshalb kam es dazu, wo fand es statt, wer wusste davon, welche Worte wurden exakt benutzt, wer reagierte wie darauf, was hattest du an, wie roch es, war es warm oder windig? Und vor allem: Wie hast du dich dabei gefühlt? Das Unterbrechen ist ein Impuls, dem ich nur schwer widerstehen kann. Dabei finde ich es so unattraktiv und nervig bei anderen. Und vor allem bei mir selbst. Was mir jedoch noch viel suspekter ist, sind Menschen, die nie was fragen. Einmal datete ich einen Mann, der in unserer vielleicht dreimonatigen Affäre drei Fragen stellte. Keine seiner Fragen hatte was mit mir zu tun, sie dienten nur als Auftakt für seine schnarchigen Stories, die er mir mit hinter dem Kopf verschränkten Armen auf dem Kopfkissen nach dem Sex erzählte, bis mir die Augen zuklappten. Mir kam das von Anfang an suspekt vor. Ich behielt recht.

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