SUSE IN YOUR POCKET

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*It's My Birthday and I'll buy if I want to!

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Heißer Tipp: Starte Dein No-Buy Year erst, wenn der Frühling vor der Tür steht.

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Suse Kaloff
Mar 10, 2024
∙ Paid
82

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*It's My Birthday and I'll buy if I want to!
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Die Clogs für 215 Euro, der Quentin Sweater, reduziert für 73 Euro, das ecrufarbene Jenna Dress für 195 Euro: Alles im Warenkorb. Ich trage Clogs seit meiner Einschulung 1975, ich habe ein Paar im Schrank stehen aus dem Jahr 2015, die ich jeden Sommer raushole und anziehe. Sie sind okay. Aber diese hier für 215 Euro sind von Rouje Paris und der Farbton ist auf der Website des französischen Labels angegeben mit dem Wort Pomerol. Ich kannte es nicht, es klang wie Aperol. Ich fand raus, dass Pomerol eine französische Gemeinde mit 589 Einwohnern im Département Gironde in der Region Nouvelle-Aquitaine, die zum Arrondissement Libourne und zum Kanton Le Libournais-Fronsadais gehört, deren Einwohner werden Pomerolais genannt. Ich las den Satz sieben Mal und verstand nur Bahnhof. Pomerol ist ein Weinanbaugebiet, so wie Bordeaux, aber wie lahm hätte das geklungen für dunkelrote Clogs für 215 Euro? Das alles traf mich letzte Woche und stürzte mich in eine Krise, mit der ich nicht gerechnet hatte. Aber was dachte ich denn? Dass es immer leicht sein würde? Mich nichts und niemand verführen wird? Mein Vitamin D-Pegel mich problemlos bis zum Mai katapultieren würde? Meine sorgfältig kuratierte innere Zufriedenheit immun sei, selbst bei eisigem Wind, der plötzlich hereinbrach, obwohl wir es doch endlich halbwegs heil in den März gepackt hatten? Januar, ein Kinderspiel. Februar, easy. Dann kam der erste Presse-Lunch, das fancy Restaurant, die Sonne, das altbekannte Gefühl, eine üppige Welt würde warten, aber in meinem spartanischem Kleiderschrank wartete nichts darauf, mal an die frische Luft zu kommen. Vielleicht die schöne, bestickte Weste? Ich zog sie an, stellte überrascht fest, dass gewaschenes Haar fast die gleiche Wirkung hat wie etwas Neues zum Anziehen und lief los. Ich stand mit einem älteren, feinen Paar eine Viertelstunde an der Bushaltestelle. Der Mann mit französischem Akzent fragte mich, ob ich wisse, wann der Bus käme und ich hielt mein Gesicht mit geschlossenen Augen wie ein Gecko in die Sonne und flötete fröhlich: “Alle drei Minuten!” Irgendjemand hatte mir kürzlich erzählt, dass die Strecke zwischen Hoheluft und Innenstadt die meist frequentierteste Europas sei. Oder der Welt? Ach egal, der 5er kommt ganz sicher gleich. Komisch, dass wir die einzigen Passanten waren an der Haltestelle. Leider auch die einzigen, die nicht spitzbekommen hatten, dass Streik war. Vermutlich kam das französische Paar aus Pomerol.

Ich lief vierundvierzig Minuten im Stechschritt in die Stadt. Als ich eintraf, war mir so heiß, als hätte ich Pellkartoffeln unter meiner Weste transportiert. Alle Kolleginnen saßen schon um die große Tafel und verteilten die neuen Produkte von RMS auf ihren Unterarmen: Kakadu Luxe Cream. Kakadu Beauty Oil. SuperNatural Radiance Serum Broad Spectrum SPF 30 Sunscreen. Ich wählte die Nuance Light Aura, aß zwei Portionen Tiramisu und dachte darüber nach, wann die Kosmetikindustrie wohl das Energiefeld entdeckt hatte und dass ich eine starke Aura immer einer leichten vorziehen würde, aber dass der Name mich durchaus catchte. Man sagt ja, das feinstoffliche Energiefeld um den Körper enthalte Informationen über die emotionale, mentale und spirituelle Natur einer Person. Ich betete, dass niemand am Tisch darüber informiert werden würde, wie es spirituell wirklich um mich stand: Fuck you, No-Buy Year!

Ein paar Häufchen Elend oder große Freiheit? An manchen Tagen beides.

Es gibt ja keine Guidelines für ein No- oder Low-Buy Year, aber, wenn ich einen Tipp geben kann an dieser Stelle: Fang’ es an, wenn es heller ist, wenn der Serotoninspiegel von alleine hochschnellt, wenn draußen die Vögel zwitschern, die Ästlein grün werden, wenn dich die Suche nach einem Bröckchen Dopamin nicht in eine Depression schlittern lässt. Der März ist dafür früh genug.

Am nächsten Tag lagen die Pomerols und die zwei anderen Teile noch immer in meinem Warenkorb, meine Laune war im Parterre angelangt, der Himmel rattengrau, ich schleifte mich zum Sport. Danach Grilled Cheese Sandwich plus ein Matcha plus Tip und 19 Euro ärmer. Aber besser als 195 Euro für das mittlerweile ausverkaufte Jenna Dress, was ich mit Erleichterung mit meinem Handy in der einen und dem triefenden Toast in der anderen Hand noch im Café recherchierte. Vielleicht zieht es vorbei, das Down.

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