Manchmal muss man Rückflüge und Menschen sausen lassen...
Vielleicht ist das der richtige Sommer dafür. Mit mir kommen auf jeden Fall Helen Wolff, zwei Bikinis und ein Schnorchel.

Ich schlug das Buch genau wieder an der Stelle auf, an der ich es im Sommer zuvor zugeklappt hatte. Ich lese so langsam wie ein Faultier, schon als Kind brauchte ich fünf Jahre für “Urmel aus dem Eis.” Manchmal fragt mich meine Mutter heute noch, ob ich damit mittlerweile durch bin. Meine aktuelle Urmel-aus-dem-Eis-Lektüre heißt “Liebe in Zeiten des Hasses” von Florian Illies, das vermutlich alle längst durch haben. Es erschien immerhin 2021. Weit kam ich auch diese Ferien nicht, vielleicht zehn Seiten. Das Problem: Nach zwei, drei Sätzen muss ich aufhören und sacken lassen, die Zusammehänge begreifen, einordnen - und googlen. Das Buch spielt ja Anfang der 30er, Literaten, Verleger, Künstlerinnen, Musen, Schauspieler, Schreiberinnen, Affären, Sodom und Gomorra, es ging drunter und drüber, zwischen Opium, Orgien, Wunden lecken und zwei Kriegen. Erich Kästner fing sich einen Tripper ein, das war vor Pünktchen und Anton, tippe ich mal. Kurz: Ich verlor den Überblick, bevor ich überhaupt zu den fürchterlichen Verbrechen der Nationalsozialisten kam, wovon das Buch handelt. Aber es nahm und nimmt mich in einer Preislage gefangen (bin immer noch erst auf Seite 152 von 404), die ich lange nicht erlebt habe (wie auch, in diesem Lesetempo, haha). Nun kam aber irgendwann, als ich auf dem Sofa in Dänemark lag, diese Stelle, in der die Rede war von Kurt Wolff. Er gründete den zu seiner Zeit wichtigsten Verlag für expressionistische Literatur in Deutschland. Jedenfalls traf er auf Helene Mosel, sie war anfangs sowas wie seine Assistentin, zwanzig Jahre jünger als er. Sie verliebten sich. Im Sommer mietete Kurt ein Haus am Strand in Südfrankreich, brachte jedoch von einem seiner illustren Ausflüge nicht bloß ein paar reife Feigen, sondern eine weitere Geliebte für den Sommer mit: Manon Neven DuMont, eine große Blondine, und schlug der 24jährigen Helene (damals noch mit einem e am Ende) eine Ménage- à-trois vor.