Unter Umständen war das die leichtfüßigste Woche des Jahres. Keine Schwere, beglückend langweilig, sieben Tage wie Baiser:
Einmal vor vielen Jahren schrieb ich in einem Text das Wort Baiser mit zwei s und eine Leserin kommentierte, das sei falsch. Es sei denn, ich würde Sex statt Eischnee meinen. Keine Erinnerung daran, was ich ihr damals geantwortet habe, aber wahrscheinlich ist, dass ich mich eifrig entschuldigte, einen Fehler gemacht zu haben. Und mich überschwänglich dafür bedankte, belehrt worden zu sein. Du kannst mich nachts wecken und ich würde dir wie aus der Pistole geschossen sagen können, wie Baiser geschrieben wird. Oder was sieben mal sieben ist, weil ein Lehrer in der dritten Klasse mich das mal fragte und ich keine Antwort hatte, woraufhin er mich einen hochroten Kopf kleiner machte. Fehler zu machen gehört nicht zu meinen Stärken. Susanne, sieben mal sieben? 49. Das ist keine große Leistung, das ist bloß ein kleines Trauma. Was eine seelische Verletzung, die mit einer psychischen Erschütterung einhergeht, auslöst, ist subjektiv. Niemand muss dir sagen, was dich mal erschrocken hat. Das weißt nur du. Ob etwas eine große Sache war oder nicht, entscheidet immer nur die Person, die es erlebt hat. Egal, wie winzig und wie lange die Bemerkung zurückliegt. Manchmal war es nur ein Wort. Und nein, der Kommentar der aufmerksamen Leserin, die der französischen Sprache offenbar mächtiger war als ich, löste absolut kein Trauma bei mir aus. Er erinnerte mich nur daran, wie sehr ich Kritik fürchte. Wenn mir jemand was schreibt, sei es privat oder beruflich, überfliege ich die Worte hastig und scanne die Nachricht nach negativen Worten, nach einem Vorwurf, weil immer in Habachtstellung, möglicherweise etwas verbockt zu haben. Ist das normal, haben das alle? Manchmal geht es so weit, dass ich sogar im öffentlichen Raum fürchte, von Wildfremden zurechtgewiesen zu werden. Ein Beispiel: Vorhin bei Alnatura stand ein Mann hinter mir an und legte seine Ware auf das Band, er kam mit seinem Arm nicht an dieses Plastiktrennding ran, um seine Eier von meinem Spargel zu trennen. Ich nahm es und stellte es zwischen unsere Artikel, und erst als er Danke sagte, war ich sicher, nichts grob falsch gemacht zu haben. Meine Erkenntnis, warum ich so einen Schatten habe, kam mir Dienstag beim Yoga: Die Angst vor Kritik liegt vielleicht an meiner eigenen inneren Kritikerin. Uncool, ich weiß, aber ich beobachte und bewerte permanent, wie ich was finde. Sortiere ein, wo es nach meinem ausgedachten Weltbild hingehört. Ich lag vor dem Klo, es kamen mehrfach Menschen vorbei und liefen schnurstracks über meine Matte. Ich hab das noch nie verstanden. Man schafft doch, drum herum zu gehen. Es gibt nicht viele Regeln beim Yoga, aber eine habe ich: Niemals würde ich auf eine andere Matte latschen. Das sind 173 Zentimeter, die für neunzig Minuten einer anderen Person gehören, die berühre ich nicht, die sind heilig. Und vielleicht ist das völlig übertrieben und neurotisch, aber ich empfinde alles andere als unachtsam. Aber vielleicht machen sie es nicht aus Respektlosigkeit, vielleicht machen sie es, weil sie die Dinge anders wahrnehmen als ich, oder weil sie mit den Gedanken ganz woanders sind, vielleicht haben sie grad wirkliche Sorgen, oder messen einem Stück Naturkautschuk nicht so viel Bedeutung bei wie ich. Vielleicht brauchen sie nicht so viel kleingeistigen Abstand, nicht so viel Raum, nicht eine klare Trennung zwischen deinem und meinem. Vielleicht ist das genauso okay wie ich es bin.
So ein Rechtschreib-Fauxpas kann mir heute auch nicht passieren, die letzte Woche war so einfältig, so wenig komplex, so arm an Facetten, dass ich weder viele Verben noch französische Worte für sie habe. Das Raffinierteste, was ich heute im Angebot habe, sind meine Osterlämmchen, die erstaunlich fehlerfrei aus dem Ofen kamen:
150 g weiche Butter
130 g Zucker
1 Prise Salz
3 Eier
180 g Mehl
2 TL Backpulver
Voilà.




