SUSE IN YOUR POCKET

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The November Issue

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Ein Rezept für Zufriedenheit aus nur zehntausend Zutaten.

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Suse Kaloff
Nov 12, 2023
∙ Paid
89

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Picture and Layout: @ardaschandra

Meine Definition von Zufriedenheit? Wissen, was für dich und was für dein Ansehen essentiell ist. Und dann alles aus deinem Leben kegeln, was in die zweite Kategorie fällt. Glaube, das habe ich mal bei dem Japaner gelesen, der nicht mehr alle, sondern nur noch zwei Teetassen im Schrank hat. Er heißt Fumio Sasaki und hat vor sieben Jahren, nachdem er in seinem eigenen Krempel beinahe unterging, ein Buch geschrieben: Goodbye Things. Bei mir ist es genauso lange her, als ich damit anfing, meinen Wohnraum zu verkleinern, Dinge zu verschenken, zu verkaufen und mich zu fragen, was mir eigentlich fehlt. Ich zog 2016 mit meinem Sohn in eine kleinere Bude, weil ich mir unsere 150 Quadratmeter Wohnung nicht weiter leisten konnte und außerdem fürchtete, dass ich nach seinem Auszug in den viereinhalb Zimmern verloren gehen könnte. Kurz spielte ich mit der Idee, eine Mitbewohnerin gegen Miete aufzunehmen, aber bei dem Gedanken, dass eine Flugbegleiterin in seinem ehemaligen Kinderzimmer rumlungern würde, wurde mir schwindelig. Wir zogen also auf die Hälfte der Fläche. Neben meinem Bett lag fortan auf einem Holzstuhl meine Bibel der New Yorkerin, die damals mit Mann und zwei Kindern auf 46 Quadrametern in Brooklyn lebte : Simple Matters von Erin Boyle.

Als mein Sohn wenig später ausgezogen war, stellte ich in das leere Zimmer meinen Teakholz Schreibtisch und schrieb ein Buch, das sich auf 256 Seiten damit beschäftigte, aus einer Laune heraus keinen Alkohol mehr zu trinken, was irritierenderweise weitere Persönlichkeitsentwicklungen nach sich zog. Eine davon war, dass ich vieles, was ich 46 Jahre lang normal gefunden hatte, plötzlich kurios fand. Dazu zählte zum Beispiel das Phänomen, dass der Großteil unserer Gesellschaft eigentlich ständig Bock auf einen Drink hat und wenn nicht grad gepichelt, von Alkohol gefaselt wird. Ein Jahr später unterschrieb ich einen Vertrag für ein weiteres Buch, das ich innerhalb von einem halben Jahr abzuliefern hatte. Was mir fehlt, um damit zu beginnen, ist ein neuer Laptop, dachte ich. Als ich ihn gekauft hatte, war der Stuhl, der beim Verfassen des literarischen Vorgängers noch taugte, plötzlich zu hart. Was mir fehlt, ist ein bequemer Schreibtischstuhl, dachte ich. Jetzt, da ich doch mehr Raum und durch den Verlagsvorschuss auch mehr Kohle hatte, war es nicht nur möglich, sondern auf einmal nötig. Und hatte ich mir das nicht verdient? Das, was zuvor noch ausgereicht, zum Bestseller und nicht zu einem Bandscheibenvorfall geführt hatte, war nicht mehr gut genug. Ich kaufte den Pacific Chair von Vitra für 1200 Euro und schrieb mit meinem Hintern auf dem himbeersorbetfarbenen Polster ein erzählendes Sachbuch, das von Angst handelte. Und davon, wie ich mein Leben lang versuchte, zufrieden zu sein, wo und mit wem ich war. Es gelang mir nie, egal, ob es ein saucooler 60er-Bungalow in Berlin oder eine Jugendstil-Altbauwohnung mit einem zwanzig Meter langen Flur in Upper-Eppendorf war. Seitdem sind ein paar Jahre vergangen, einiges kam ins Haus (Männer, Teppiche, Lampen), von vielem habe ich mich wieder getrennt (Männer, Teppiche, Lampen) und im letzten Winter zog ich in die Bonsai Bude am Kanal. Kommen wir zum Punkt: Hier acht unerwartete Nebenwirkungen eines bescheidenen Zuhauses.

  1. Kein Lifestyle Creep

    Das, was ich oben beschrieben habe mit dem himbeersorbetfarbenem Schreibtischstuhl, ist ein perfektes Bild für Lifestyle Inflation. Je mehr man hat, desto mehr braucht man. Und das, was man bereits besitzt, verliert an ideellem Wert. Beispiel: Wann immer ich viel Geld verdiene, gebe ich viel Geld aus. Es mangelt mir schlagartig an einem Produkt, von dem ich vorher meist noch nicht mal etwas ahnte, sobald die Kohle auf dem Konto ist. Wer sich räumlich vergrößert, lässt selten die Zimmer leer. Im Gegenteil, jetzt, da mehr Platz ist, sucht man nach Stuff und Stoff, mit dem man ihn füllen kann. Ich erinnere mich noch genau an unsere erste gemeinsame Wohnung als kleine Familie, ins Küchenfenster hingen wir als Vorhang eine alte Union Jack Flagge. Eigentlich hätte uns dieses gemütliche Zuhause noch lange gereicht, aber ich wurde unzufrieden mit dem, was wir hatten, weil ich rechts und links guckte, was die anderen Mütter und Väter hatten. Einmal war ich bei einer Bekannten eingeladen, die ich auf dem Spielplatz kennengelernt hatte. Das war 1997, es gab kein Instagram, aber es gab in ihrer feinen Wohnung eine gläserne Teekanne mit gläsernem Stövchen und ihr Sohn spielte mit einem Hammerbänkchen. Er konnte nicht mal stehen. Ich schob mein Baby aufgewühlt nachhause und sagte heulend vor Orientierungslosigkeit zu meinem Mann: “Wir brauchen auch ein Hammerbänkchen für Carlchen.” Da fing die Misere vermutlich an. Meine Unzufriedenheit und der Vergleich mit den anderen Müttern trieb uns von einem Ort zum nächsten. In der neuen, viel größeren Wohnung in dem schickeren Stadtteil hingen wir die Vereinte Königreich Flagge nicht mehr auf. Eine andere Bekannte kam zu Besuch, stand vor den hohen Fenstern und gab den ungefragten Rat: “Da kann man mit Stoff gaaanz viel machen!” Ja, man kann immer ganz viel machen und ganz viel wollen und ein Sofa für 6000 Euro anschaffen, man kann es aber auch lassen und sich daran erinnern, wie glücklich man vor dem Hammerbänkchen mal war.

  2. Remove what takes away your peace

    Meine einzige Hausregel: Alles, was Unruhe stiftet, muss gehen. Betrifft Möbel wie Menschen. No exception

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