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Von der bekloppten Angst, sexy zu sein.

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Keine Frage: Das müssen wir mit allen Sinnen ändern.

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Suse Kaloff
Jul 21, 2024
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Von der bekloppten Angst, sexy zu sein.
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Ein Samstag so heiß und ewig wie sechs Wochen Ferien. Bin durch die leeren Straßen geradelt, mit Wassermelone im Körbchen, spiele Griechenland in Eimsbüttel, während die anderen bereits weg sind. Alle scheinen verreist zu sein, nur ein paar hübsche Mädchen mit Iced-Matcha in den Händen hatschten durch Eppendorf. Gestern kaufte ich einen Topf Minze auf dem Markt, es gab drei Sorten. Ich nahm marokkanische, weil mich ihr Duft an den Tag am Pool des Luxushotels La Moumonia erinnerte, als ich noch nicht wusste, dass mir einen Tag später ein Schirmständer aus Beton auf die Hüfte segeln und ich mich nach meiner Heimkehr wieder trennen würde von dem Mann, zu dem ich weder Ja noch Nein sagen konnte. Alle Sommer, jede Liebe überlebt. Mehrjährig und winterhart stand auf dem Schild der Minze. Der Verkäufer am Kräuterstand fragte mich: „Sie wissen, was Sie machen müssen?“ Ich nickte, obwohl ich keinen Plan hatte. Er fuhr fort: „Niemals einzelne Blätter abzupfen, immer unterhalb der Teilung abschneiden.“ Ich deutete mit dem Finger an ein Blättchen: „Dort?“ „Weiter unten!“ Er erzählte was vom Umtopfen, Plastik sei auch okay, unbedingt Dünger, und im Winter, da müsse ich die Minze ignorieren, einfach stehen lassen draußen, aber schön runterschneiden, nicht gießen, Tontopf ist gar nicht so gut, der kann zerplatzen bei Frost, aber immer unterhalb der Gabelung abschneiden. “Das ist wie bei den Haaren, dann werden sie schön füllig.” Er lächelte mich an. Ich trug mein neues blau-weiß gestreiftes Set von Rouje, ein durchgeknöpfter Rock und eine Bluse, die man vorne knotet. Wenn ich mich strecke, schaut mein Bauch raus. Wenn ich mich nach vorne beuge meine Brust. Dabei sieht es paradoxerweise altmodisch aus. Es erinnert mich an die australische Schriftstellerin Charmian Clift, die in den Sechzigern einen Sommer mit Leonard Cohen auf Hydra verbrachte. Mir fehlt nur noch das Körbchen unter Arm. Und Leonard.

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It’s giving Charmian Clift, Hydra 1960

Sie ist auch die Hauptfigur in dem Roman „Der Sommer der Träumer“. Ich las das Buch letztes Jahr auf Hydra, und als ich es schließlich ausgelesen hatte, war es Herbst geworden und ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es jemals wieder Sommer werden würde. Noch eine Woche, dann bin ich wieder dort. Bis dahin ist mein Zuhause mein Ferienhaus, obwohl ich noch gar keine Ferien habe. Vorhin schloss ich die Tür auf, Licht und Schatten an den Wänden, das Wasser des Kanals spiegelte sich an der Zimmerdecke, es roch nach reifen Tomaten, Kaffee und Lavendel, über der offenen Badezimmertür hing mein kleiner Kimono aus Baumwolle mit roten Kussmündern. So viel mühelose Schönheit lag in der Luft. Am Tag zuvor war ich beim türkischen Gemüseladen, an der Kasse sagte ich: „Bitte noch ein Börek mit Feta und Spinat“ Der Verkäufer packte es ein, ich bezahlte. Als er mir mein Wechselgeld in die Hand legte, sah er mich an, als sähe er mich zum ersten Mal: „Und schöne Augen hat sie auch noch“ Mir schoss sofort eine Erläuterung in den Kopf, die wie eine Entschuldigung klang: Ich hab’ mich ja auch geschminkt. Nach hundert Tagen, vielleicht waren’s auch tausend. Und die taillierte Bluse mit den Blümchen trug ich, die es im Sale nur noch eine Nummer zu klein gegeben hatte, und ich nach sieben Monaten nix kaufen durchgedreht war und dachte, Scheiß drauf, wird schon passen. Wenn ich sie trage, gucken mich Männer an, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. Es ist sonderbar und verstörend simple, all das. Wie eine schläfrige Katze laufe ich durch die Stadt, in der es vor Touristen wimmelt, während ich mich fürchte, sexy zu sein.

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