Wenn du weißt, was du tust, wird dir wurscht, was alle anderen tun.
Und wie du nackt aussiehst. Ende der Durchsage.


Die Frau trug einen schwarzen Pagenschnitt, zog ein dunkelblaues Einkaufswägelchen hinter sich her und sprach mich gestern an der Kreuzung Rothenbaumchaussee mit folgenden Worten an: “Können Sie mir mit siebzig Euro aushelfen? Ich gebe Sie Ihnen auch wieder.” Ich kam nicht dazu, nachzuhaken, wofür sie das Geld brauchte, ob für eine Zugfahrt, Medikamente, einen Einkauf bei Edeka Niemerszein oder für die Happy Hour. Und ob sie es mir per PayPal Freunde zurückerstatten wolle. Zu all den Fragen kam es nicht, weil mich zeitgleich eine andere Fremde an der Ampel überfiel, während ich mir im Gehen gerade eine Tüte gesalzene Cashewkerne reinpfiff. Mit der freien Hand schob ich mein Fahrrad. Die Frau rief erstaunt: “Ich kenne Dich, ich bin’s, Laura! Ich habe Dir mal geschrieben!” Ich kaute noch die Nüsse, die Masse wurde im Mund immer mehr, ich suchte in meinen walnussartigen Gehirnwindungen nach einem Indiz, nach einem Zeichen, einer Erinnerung, aber bei mir klingelte nix. Vielleicht lag es daran, dass mir in meinem Leben schon mal eins, zwei Menschen geschrieben hatten, wobei, was meinte sie eigentlich mit geschrieben, einen Brief, eine Mail, eine DM? Die Frau lief mit mir, meinem Rad und meinem Überrumpeltsein zusammen über die Straße, ich warf noch einen Blick zurück und sah, dass die ältere Dame mit dem Einkaufswägelchen schon andere Passanten mit dem exakt gleichen Wortlaut anpumpte. Die Frau, die meinte mich zu kennen, blieb plötzlich stehen, was mich zwang, auch anzuhalten und sagte: